Kinder in der Grundschule Mädchen verträumt im Unterricht

Das deutsche Schulsystem krankt – wer kann, geht

Woran krankt das staatliche Bildungssystem in Deutschland? Die Chancengleichheit in Sachen Schulbildung ist wohl Vergangenheit. Privatschulen und Nachhilfeinstitute haben Hochkonjunktur. Wer es sich leisten kann, zahlt für Bildung. Jeder zehnte deutsche Schüler besucht eine Privatschule, Tendenz steil steigend. Die Zahlen sind alarmierend. Das Vertrauen in die staatliche Regelschule ist getrübt.

Eltern haben das Vertrauen ins deutsche Schulsystem verloren

Was ist los mit der Bildungsnation Deutschland? Lange Zeit rühmten wir uns mit kostenlosen staatlichen Schulen. Jedem Kind, das hier aufwächst, war eine solide Bildung zugesichert, und zwar unabhängig vom Geldbeutel der Eltern. Chancengleichheit lautete die Parole. Doch die Zeiten ändern sich. PISA und andere Bildungsstudien führten zu lautstarker Kritik und – teils geglückten, teils gescheiterten – Reformversuchen. Und währenddessen wandert die Klientel langsam aber sicher ab. Wer es sich leisten kann, schickt sein Kind auf eine Privatschule. Jedes Jahr werden es sprunghaft mehr. Bereits jeder zehnte Schüler in Deutschland geht auf eine Privatschule.

PISA und andere Bildungsstudien haben in den vergangenen zehn Jahren einen Trend losgetreten, der jedes Jahr neue Rekorde verursacht. Die Zeiten sind offenbar vorbei, als man seine Kinder voller Vertrauen in das deutsche Bildungssystem ohne zu zögern in die staatliche Sprengelschule schickte. Heute kritisieren Familien und Pädagogen das System, das sich nur behäbig auf veränderte Anforderungen einstellt.

Jeder zehnte Schüler besucht eine Privatschule

Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Das Vertrauen der Eltern in die staatliche Regelschule ist getrübt. Laut Statistischem Bundesamt besuchten im Jahr 2013 etwa 750.000 Schülerinnen und Schüler eine Privatschule. Mittlerweile, vier Jahre später, schrammt diese Zahl bereits beinahe an der Million. Das sind an die zehn Prozent aller Schüler in Deutschland. Damit ist der Höchststand der Schülerzahl an Privatschulen seit Beginn der Erfassung nach dem Krieg erreicht. Die Entwicklung folgt dabei dem Trend der vergangenen Jahre, denn seit dem Schuljahr 1986/1987 sind die Schülerzahlen an Privatschulen in Deutschland von Jahr zu Jahr gestiegen.

Allerdings bestehen große regionale Unterschiede. Während im Bundesland Bayern beispielsweise knapp zwölf Prozent aller Schüler der staatlichen Regelschule den Rücken gekehrt haben, besuchen in Schleswig-Holstein nicht einmal fünf Prozent der Kinder eine Privatschule. Besonders hoch gestiegen ist der Anteil an Schülern an privaten Schulen in den vergangenen zehn Jahren in den ostdeutschen Bundesländern. Aufgrund der politischen Geschichte haben hier Privatschulen noch keine lange Tradition. Entsprechend sprunghaft haben sich die Zahlen hier entwickelt. Beispielsweise in Brandenburg hat sich der Anteil der Schüler an privaten Schulen innerhalb der vergangenen zehn Jahre mehr als vervierfacht.

Unterschiede gibt es auch in Bezug auf die Schulart. Besonders hoch ist der Anteil an Privatschülern bei Förderschulen. Hier besucht jeder Fünfte Schüler eine Privatschule. Auch an Gymnasien (zwölf Prozent) und Realschulen (zehn Prozent) war der jeweilige Anteil hoch. Deutlich seltener sind private Einrichtungen im Bereich der Gesamtschulen (sechs Prozent) und Volksschulen (vier Prozent).

Chancengleichheit ist Geschichte, gute Bildung kostet

Von Chancengleichheit kann da kaum noch die Rede sein. Denn Privatschulen werden zwar auch vom Staat bezuschusst, aber bei weitem nicht in der Höhe wie öffentliche Regelschulen. Zudem warten viele Privatschulen mit einem besseren Betreuungsschlüssel auf. Während an staatlichen Schulen ein Lehrer 25 Kinder und mehr gleichzeitig unterrichtet, sind Kleingruppen à zehn Schülern an Privatschulen keine Seltenheit.

Das alles kostet Geld, und zwar nicht zu knapp. Die so entstandenen Lücken zwischen öffentlicher Förderung und Ausgaben legen die Träger privater Schulen auf die Schüler um. Das heißt, jede Familie zahlt monatliches Schulgeld für ihr Kind, meist einige hundert Euro. Je nach Privatschule und je nach Kinderzahl kommt somit eine stolze Summe zusammen, die sich im Laufe der Jahre zu einem Betrag anhäuft, von dem sich andere eine neue Limousine oder eine Eigentumswohnung anschaffen.

Das suchen Eltern an Privatschulen

Doch warum nehmen Eltern diese Summen auf sich? Was suchen sie an Privatschulen, das ihren Kindern an öffentlichen Schulen nicht geboten wird? Die Hauptargumente, die mit der Regelschule unzufriedene Eltern nennen, sind eine mangelhafte individuelle Förderung ihrer Kinder und überhöhter Leistungsdruck. Privatschulen reagieren darauf mit kleinen Klassen, spezialisierten Förderangeboten einerseits für lernschwache (z.B. Legasthenie, Dyskalkulie, ADHS) und andererseits für hochbegabte Kinder. Durch kleinere Klassen und eine persönlichere Lernatmosphäre fällt es den Lehrern an Privatschulen oft leichter, jedes Kind dort abzuholen, wo es steht.

Alle Privatschulen, die in Deutschland von freien Trägern betrieben werden dürfen, müssen zuvor staatlich genehmigt werden. (Siehe Unterschied staatlich anerkannteund staatlich genehmigte Privatschulen). Für den Betrieb von öffentlichen Schulen hingegen ist die jeweilige Kommune (Volks-, Grund- und Mittelschulen) oder der Landkreis (weiterführende Schulen wie Realschule, Wirtschaftsschule oder Gymnasium) zuständig.

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