Schüler_mit_schlechtem_Zwischenzeugnis

Schlechte Noten fürs Zwischenzeugnis

Das Zeugnis selbst bekommt schlechte Noten, besonders das Zwischenzeugnis zum Halbjahr. Kritiker bemängeln unter anderem, dass die bestehende Benotungspraxis wenig aussagekräftige Ergebnisse bringt und der Zeugnisdruck einen großen Stressfaktor für Schüler bedeutet. Der Wunsch nach einer individuelleren Bewertung wird laut. Immer mehr Schulen setzen daher auf so genannte Lernzielgespräche oder Lernentwicklungsgespräche.

Schüler von Jahres- und Zwischenzeugnis gestresst

An sich soll das Zwischenzeugnis den aktuellen Leistungsstand abbilden, nicht mehr und nicht weniger. Es geht nicht um Versetzung in die nächste Klasse und auch nicht um den Übertritt auf eine weiterführende Schule. Dennoch blicken offenbar viele Kinder und Jugendlichen ihrem Halbjahreszeugnis nervös entgegen. Detlef Träbert, Vorsitzender des Bundesverbands „Aktion Humane Schule e.V.“ spricht von „Ängsten, Tränen, Panikreaktionen“ und „Nötigung durch Noten“. Und Bayerns mächtigste Pädagogin, Simone Fleischer, Vorsitzende des Bayerischen Lehrerinnen- und Lehrerverbands, ist der Meinung, „Noten können Kinder kaputtmachen„.

Die schulpsychologischen Beratungsstellen reagieren, indem sie zu Zeiten von Jahres- und Zwischenzeugnis vermehrt für ihre Sorgentelefone werben. Und das von den LBS-Bausparkassen in Auftrag gegebene aktuelle Kinderbarometer offenbart: Ein Drittel der Kinder fühlt sich regelmäßig von der Schule gestresst. Laut den Antworten der 11.000 befragten Schüler ist die Schule der mit Abstand größte Stressfaktor im Kinderleben.

Verband fordert Ende der Beurteilung durch Noten

„Ist das nicht verrückt?“, fragt Träbert. Sein Verband fordert die Abschaffung der Leistungsbeurteilung mit Noten wie im Zwischenzeugnis, zumal es längst sinnvollere und praktikable Alternativen dazu gäbe: „Noten sind als Messinstrument für Lernleistungen denkbar ungeeignet“, meint Träbert und nennt als besseres Beispiel die so genannten Kompetenzraster, die seiner Aussage nach „wesentlich detaillierter als Zensuren Auskunft darüber geben, was die Schüler hinsichtlich der vorgegebenen Lernziele schon erreicht haben und woran genau sie noch arbeiten sollten“. In diese Kompetenzraster fließen verschiedene Formen der Selbstbeurteilung des Schülers mit ein.

Mit solchen Methoden würde das Lernen zur Angelegenheit der Schüler, und Motivationsprobleme träten seltener auf, so Träbert. Einige Schulen erproben diese Form der Beurteilung bereits seit Jahren. Besonders im Bereich der Privatschulen gibt es viele Schulen, die in Sachen Leistungsbewertung andere Wege gehen und Neues wagen. So arbeiten beispielsweise Montessori Schulen grundsätzlich ohne Noten und setzen stattdessen auf häufige Zwischenstandsgesprächen, an denen Lehrer, Kinder (und oft auch Eltern) teilnehmen. Sie haben eine Einschätzung der Leistung von beiden Seiten, nicht nur des Lehrers, zur Grundlage.

Dialog statt einseitiger Beurteilung

Ob auf diesen Zug in Zukunft auch die staatliche Regelschule aufspringt, bleibt abzuwarten. Ebenfalls auf Dialog statt einseitige Beurteilung im klassischen Zwischenzeugnis setzt das so genannte Lernentwicklungsgespräch. An zahlreichen staatlichen Grundschulen ersetzt dieses Gespräch zwischen Lehrer, Schüler und Elternteil, bei dem gemeinsam individuelle Ziele formuliert werden, mittlerweile das Zensurenblatt. Die Schüler sollen nicht eine schlechte Note vor den Latz geknallt bekommen, sondern verstehen, warum ihre Leistung schlecht beurteilt wird, woran es mangelt.

In einem Interview mit dem Münchner Merkur spricht sich die Lehrerverbandsvorsitzende Fleischmann vehement gegen den aktuellen Umgang mit Leistung und Zensuren aus: Es gebe aktuell „null Objektivität“ bei der Notenvergabe. Zumindest in Bayern müssten Lehrer „bei den Tests  die Gaußsche Normalverteilung zustande bringen – also wenige sehr gute, wenige sehr schlechte Noten und die meisten in der Mitte. Was soll das denn?“

Wenn Noten bei all dem Druck, den sie für Schüler und Eltern erzeugen, nicht einmal die Leistungen vergleichbar machen, stellt sich die Frage, ob sie überhaupt noch einen Sinn erfüllen. Fleischmann findet klare Worte gegen Zensuren: „Mediziner brauchen einen Notenschnitt von 1,0, um einen Job zu bekommen. Glauben nnSie ernsthaft, dass das allein die besten Ärzte ausmacht? Noten brauchen wir nur so lange, wie wir ein Schulsystem haben, das selektiv ist. Nicht, wenn wir es wirklich individualisieren.

 

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