Ein Kind lernt ab der ersten Sekunde seines Lebens, fortwährend und in jedem Augenblick. Schon als Säugling erforscht es seine Umgebung mit allen Sinnen, hört, riecht, sieht, spürt, schmeckt. Es ist von Natur aus neugierig, interessiert an seiner Umwelt, an den Menschen, die es umgeben, an seinem eigenen Körper. Das Lernen geschieht in den ersten Lebensmonaten und -jahren ganz von selbst, durch Freiheit und Nachahmung. Müssen Eltern also gar nichts tun, um ihr Kind bestmöglich zu fördern? Das stimmt so nicht.
Frühkindliche Bildung: Entdeckerwillen und Selbstständigkeit
Im Babyalter entwickelt sich ein Kind zwar rasant, ist jedoch in allen Lebensbereichen auf seine Eltern und andere liebevolle Bezugspersonen angewiesen. Damit das nicht ein Leben lang so bleibt, müssen Eigenverantwortung und Selbstständigkeit gefördert werden. Dies wirkt sich auch auf die spätere Fähigkeit des Kindes aus, Bildung wahrzunehmen. Im frühkindlichen Kontext gilt es daher, kleine Menschen ganzheitlich zu unterstützen.
Natürlich werden Eltern ihre Kinder in den ersten Lebensmonaten kaum mit dem aktiven Vermitteln konkreter Lerninhalte konfrontieren. Weder das Einmaleins noch die deutsche Grammatik gehören in dieser Zeit zu jenen Dingen, die für das Leben des kleinen Kindes wichtig sind. Ganz anders sieht es jedoch aus, wenn es um das Anregen von Neugierde, die Förderung des Entdeckerwillens und die spielerische Vermittlung neuer Fähigkeiten geht. Eine ganze Reihe frühkindlicher Konzepte beschäftigt sich mit der Pädagogik für die ganz Kleinen.
Freiheit, vorbereitete Umgebung und Nachahmung
Um all die Anlagen, mit denen ein Kind seit Geburt ausgestattet ist, optimal entwickeln zu können, benötigt es neben Liebe und Zuwendung vor allem dreierlei:
- Die Freiheit, etwas entdecken zu dürfen. Und zwar am besten selbstständig, in seinem eigenen Tempo und Rhythmus und mit seinem eigenen Fokus. Das alles immer im Bewusstsein der Sicherheit, die ihm die Anwesenheit einer liebevollen Bezugsperson vermittelt.
- Eine optimal ausgestattete Umgebung. Dies bezieht sich zum einen auf Sicherheitsaspekte (selbstverständlich sollte das Kind im Spiel keinen Gefahren wie Stufen, spitzen Gegenständen o.ä. ausgesetzt sein). Zum anderen meint diese so genannte „vorbereitete Umgebung“, der schon Maria Montessori großen Wert beigemessen hat, perfekt auf die (Entwicklungs-)Bedürfnisse des Kindes zugeschnittene Aussstattung. Alle Dinge, die das Kind zum Erleben und dadurch zum Lernen braucht, sind gut sichtbar untergebracht. Das Kind soll Spielmaterialien vorfinden können, die seine Sinne ansprechen und seinem momentanen Interesse, also seiner „sensiblen Phase“ oder „sensiblen Periode“, bestmöglich entsprechen.
- Das Kind braucht Vorbilder. Babys im Kleinkindalter orientieren sich enorm an ihren Bezugspersonen. Kleinkinder, deren Mütter den Lichtschalter stets mit dem Ellenbogen betätigen, werden es selbst auf genau dieselbe Weise versuchen. Nutzt die Mutter aber meistens die Hand und nur im Ausnahmefall dann den Ellenbogen, wenn sie gerade keine Hand frei hat, sieht es anders aus. Das Kind erkennt das Muster und wird bei seinem ersten Versuch die eigene Hand benutzen. Kleinkinder sind also Meister des genauen Beobachtens und der Nachahmung. Übrigens profitieren Babys stark durch Geschwister, indem sie ihre älteren Schwestern und Brüder beobachten und imitieren.
Oasen der Zweisamkeit: Beispiel Wickelplatz
All diese Aspekte spielen bereits in den ersten Monaten wichtige Rollen. Kinder, deren Eltern ihnen zahlreiche Sinneseindrücke bieten, lebendig mit ihnen interagieren und Spiele in den Alltag integrieren, entwickeln sich zu neugierigen und cleveren Menschen. Beginnen kann dies zum Beispiel bereits mit einfachen Spielen an der Wickelkommode. Da die meisten Eltern bei der Zusammenstellung des Wickelzubehörs auch auf Spielsachen achten, sollte hier zu solchen gegriffen werden, die die Sinne des Kindes anregen. Sie können dann im Rahmen von Singspielen, kleinen Tastübungen und Fingerspielen genutzt werden. So wird es beim Wickeln nicht langweilig.
Der Wickeltisch stellt ein Beispiel dafür dar, was frühkindliche Förderung bedeuten kann. Im heimischen Umfeld gibt es viele Möglichkeiten, Kindern im ersten Lebensjahr eine anregende und abwechslungsreiche Umgebung zu bieten, in denen sie sich gut entwickeln und ihre Fähigkeiten austesten können.
Eindrücke in der Gruppe: Erste Fremdbetreuung
Neben den Eindrücken, die ein Kleinkind zu Hause in der Familie sammelt, kommen irgendwann die ersten Erfahrungen in einer sozialen Gruppe Gleichaltriger hinzu. In Kindertagesstätte oder Krippe, Spielgruppe oder bei Tageseltern lernt ein Kind, mit Gleichaltrigen zu interagieren, sich an Gruppenregeln und Gepflogenheiten anzupassen, die eventuell von denen in seiner gewohnten Umgebung zu Hause abweichen. Auch ist es eine neue und letztlich Selbstbewusstsein stärkende Erfahrung, zu anderen Ansprechpartnern als den wichtigsten Bezugspersonen Vertrauen zu fassen.
Das alles erweitert den Horizont des Kindes. Allerdings gibt es keinen idealen Zeitpunkt, wann Kinder in Betreuung gehen sollten. Dies ist von Familie zu Familie höchst unterschiedlich, und es existieren vielerlei Wege in eine glückliche Kleinkinderzeit. Während die Meinungen pro und kontra Fremdbetreuung in den ersten Lebensjahren stark auseinandergehen, so befürworten doch die meisten Eltern eine Gruppe im Kindergartenalter. Laut ifo Bildungsbarometer 2019 sind 67 Prozent der Eltern sogar dafür, dass der Besuch eines Kindergartens für Vier- und Fünfjährige zur Pflicht wird.
Selbstsicherheit durch Fähigkeiten
Eltern können das Zurechtfinden ihres eigenen Kindes in fremden Umgebungen fördern, indem sie ihm zu Hause die Möglichkeit geben, die eigene Selbstwirksamkeit zu erkunden und zu festigen. Das bedeutet, dass Kinder im sicheren Zuhause positive Erfahrungen rund um eigene Fähigkeiten sammeln können sollten, die ihnen auf neuem Terrain Sicherheit verschaffen. Das kann ab dem passenden Alter beispielsweise weitestgehend eigenständiges Anziehen sein, Ordnung halten, Mithilfe bei der Essenszubereitung oder auch das Packen der Kindergartentasche. Was wirkt wie eine Kleinigkeit, kann für Kinder in diesem Alter ein sehr besonderer und wertvoller Schritt sein, der sich auch auf die Bildung positiv auswirkt.
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