Hochbegabung bei Kindern ist längst nicht nur ein Segen. Für Schüler kann dieses vermeintliche Geschenk des Himmels schnell zur Qual werden. Dann nämlich, wenn ihre Hochbegabung nicht oder erst spät als solche erkannt wird und sie stattdessen den Stempel Lernschwierigkeit aufgedrückt bekommen. Doch woran erkenne ich, ob mein Kind hochbegabt ist? Das sind erste Anzeichen für eine Hochbegabung:
Pädagogen und Lehrpläne orientieren sich an der goldenen Mitte. Schulklassen, in denen 25 und mehr Kinder gemeinsam lernen, können gar nicht anders, als ihre Leistungsanforderungen auf das mittlere Segment abzuzielen. Wer stark ausschert, hat es nicht immer leicht. Und zwar gleichermaßen, ob nach unten oder nach oben. Untersuchungen zufolge sind die meisten „problemlosen“ Schüler in einem IQ-Bereich von 115 bis 120 angesiedelt.
Eltern sind nicht selten verunsichert, wenn ihr Kind anders als die anderen zu lernen scheint. Oft wird bei hochbegabten Kindern vorschnell beispielsweise AD(H)S diagnostiziert und die ganze Maschinerie in Richtung Therapie, Lerncoaching und/oder medikamentöse Behandlung läuft an. Ebenso wie für benachteiligte Schüler gilt auch für hochbegabte Kinder: Eine entsprechende Förderung ist unerlässlich. Sonst drohen Leistungsabfall, Langeweile, Verhaltensauffälligkeiten, Unzufriedenheit und soziale Isolation.
Was heißt Hochbegabung?
Ein Mensch gilt im Allgemeinen als hochbegabt, wenn er in einem verlässlichen und normierten, validen Intelligenztest einen IQ-Wert von über 130 erreicht. Das trifft bei etwa zwei bis drei Prozent der Bevölkerung zu. Oft liegen die Talente dabei nicht ausgewogen verteilt. So kann ein Mensch etwa im Bereich des logischen Denkens über eine ausgeprägt hohe Begabung verfügen, während andere Bereiche, etwa räumliches Vorstellungsvermögen oder sprachliche Fähigkeiten, bei ihm eher im Mittelmaß liegen.
Besonders bei Kindern lässt das Ergebnis eines Intelligenztests nicht immer eindeutige Schlüsse auf die tatsächlich vorliegende Begabung ziehen. Denn sie sind in ihrer kognitiven Entwicklung noch nicht ausgereift. Eventuell ist ein Kind lediglich in seiner Entwicklung seinen Altersgenossen ein gutes Stück voraus, was sich im Jugendalter von selbst wieder relativiert.
Hochbegabte Kinder entwickeln sich häufig asynchron. Das heißt, die emotionale, soziale Entwicklung „hinkt“ der intellektuellen um Meilen hinterher. Daher fallen hochbegabte Kinder häufig zunächst als „Unruhestifter“ und „Klassenkasper“ auf.
Bei der Diagnose „Hochbegabung“ kommt oft erschwerend hinzu, dass hochbegabte Kinder entgegen der landläufigen Meinung nicht automatisch gute Schüler sein müssen. Oft ist sogar das Gegenteil der Fall. Hochbegabte haben größtes Potenzial für Lernerfolg, aber wenn dieses Potenzial nicht angemessen geweckt wird, sind durch eine Verkettung von Unterforderung, Langeweile und Verhaltensauffälligkeit schlechte Schulnoten keine Seltenheit. Etwa 15 Prozent der Hochbegabten bringen aus genannten Gründen schlechte schulische Leistungen, sind so genannte „Minderleister“ oder „Underachiever“. Die wenigsten Lehrkräfte weisen auf die Möglichkeit einer unentdeckten Hochbegabung hin, wenn ein Kind in dieser Weise unangenehm auffällt. Denn angepasst und motiviert zeigen sich hochbegabte Schüler in einer Regelschulklasse nur selten.
Erste Anzeichen für Hochbegabung bei Kindern
Woran also Hochbegabung bei Kindern erkennen? Folgende Anzeichen können ein Hinweis darauf sein, dass eine Hochbegabung vorliegt:
Kognitive Entwicklung
- Frühes differenziertes Sprechen und großer Wortschatz, keine Babysprache; andere sind eher späte Sprachentwickler, teilen sich dafür aber gleich in ganzen Sätzen mit.
- Ausgeprägte Neugierde bereits in sehr jungen Jahren. Das Kind möchte detailliert verstehen, warum die Dinge so sind, wie sie sind.
- Verringertes Schlafbedürfnis im Verhältnis zu Gleichaltrigen;
- Auffällig schnelle Auffassungsgabe; meist geht dies mit einem außergewöhnlich guten Erkennen von Zusammenhängen einher.
- genaue Beobachtungsgabe und Detailwahrnehmung, oft mit einem ausgeprägten Sinn für Ordnung und Sortierung;
- Früh und stark ausgeprägte eigene Ansichten; das Kind hat „seinen eigenen Kopf“. Damit zusammenhängend kritisches Hinterfragen von Autoritäten und Meinungen; Daraus resultierend Schwierigkeiten beim Akzeptieren von unreflektierten Weisungen;
- Langeweile bei Routineaufgaben, Üben oder Training; Anstrengungsbereitschaft oft schlecht ausgebildet; lieber ausgiebiges Diskutieren als Erledigung der Aufgaben;
- Sehr hohe Konzentrationsfähigkeit bei intellektuellen Herausforderungen;
- Neigung zu autodidaktischem Lernen; Wunsch nach selbständigem Tun mit möglichst wenigen Anweisungen; starkes Verantwortungsgefühl für sich selbst und seine Umgebung;
- Ausgeprägter Perfektionismus, was eigene Leistungen angeht;
- Intensives Ausleben von bestimmten Interessen, phasenweise unersättlich in einem bestimmten Bereich, der nach einiger Zeit von einem anderen abgelöst wird;
Soziale Fähigkeiten
- Großes Bedürfnis nach Individualität; früh autonom und unabhängig, daraus resultierend häufig nur schlecht gruppenkonform;
- Sensibel; Neigung zur Überempfindlichkeit;
- Ausgeprägter Gerechtigkeitssinn; Einsetzen für Außenseiter, Benachteiligte oder Hilfsbedürftige;
- Überschießende Energie der häufig sehr lebhaften und aufgeweckten Energiebündel sprengt oftmals den gesellschaftlichen Rahmen; Störverhalten aus Langeweile heraus;
- Impulsivität;
- Diagnose von „Zappelphilipp-Syndrom“ bzw. AD(H)S;
- Psychosomatische Probleme oder Ticks;
Eltern, die verunsichert sind, sollten Hilfe bei Fachleuten suchen. Denn eine Hochbegabung bei Kindern zu erkennen, erfordert Erfahrung und Sensibilität. Geeignete IQ-Tests führen beispielsweise Kinder- und Jugendpsychologen durch. Nähere Informationen und Hilfe finden Eltern außerdem bei Erziehungsberatungsstellen, bei Schulpsychologen oder beim staatlichen Schulamt in ihrer Kreisstadt. Eine Abklärung sollte in jedem Fall angestrebt werden, denn eine unentdeckte Hochbegabung kann für ein Kind nachhaltige Probleme – auch oder gerade in sozialer Hinsicht – verursachen, die auf das gesamte Erwachsenenleben ausstrahlen. Gesammelte Informationen zu den standardisierten Testverfahren BIVA, HAWIVA, HAWIK, AID und IDS stehen hier.
Schulische Förderung für hochbegabte Kinder
Werden hochbegabte Kinder angemessen gefördert und unterstützt, steht ihrer Entfaltung zu kreativen, motivierten, engagierten und zufriedenen Menschen nichts mehr im Wege. In Deutschland, Österreich und in der Schweiz gibt es Privatschulen, die sich auf die Unterrichtung von Hochbegabten spezialisiert haben. Für einen Besuch dieser Schulen ist in der Regel Schulgeld zu zahlen. Die staatliche Förderung von hochbegabten Kindern ist in Deutschland von Bundesland zu Bundesland sehr unterschiedlich. Es gibt jedoch eine Reihe an Stipendienprogrammen, für die sich jeder Schüler in Deutschland bewerben kann.
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