„Laterne, Laterne, Sonne, Mond und Sterne“ – wie zauberhaft sind doch manche Rituale der Kindheit! Und wie entzaubernd können neue Errungenschaften wie Sicherheits-Elektrostäbe an den selbst gebastelteten Laternen an Sankt Martin sein. Das meint unsere Kolumnistin Julia Collani, die mit ihren Kindern sehr unterschiedliche Lichterfeste im Kindergarten miterleben durfte…
Zugegeben, ich war richtig ein wenig aufgeregt beim Laternenumzug an Sankt Martin durch den dämmerdunklen Wald. Zu meiner Verteidigung muss ich zwei Tatsachen ins Feld führen: Erstens waren wir als Familie erst wenige Tage Teil des Waldkindergartens und wussten noch nicht viel von den geheimen unausgesprochenen Selbstverständlichkeiten in dieser Elterninitiative.
Doch sehr viel schwerwiegender war zweitens: Es war mindestens drei Jahrzehnte her, dass ich eine Kindergartengruppe beim Lichterfest oder Laternenumzug an Sankt Martin hautnah erlebt hatte. Also, so richtig, meine ich. Mit Dunkelheit, Kerzenschein und offenem Feuer und so.
Mein erster Sohn nämlich hat in seiner Kindergartenzeit dieses Erlebnis nur in einer Light-Version kennen gelernt, die in der Rückschau unfassbar lächerlich ist. In seinem kirchlichen Kindergarten wurde St. Martin denkbar nüchtern und entzaubert gefeiert.
Das Ganze lief folgendermaßen ab: Die Kinder aller Gruppen trafen sich vormittags in der gemeinsam genutzten Turnhalle, Eltern waren als Zaungäste unerwünscht. Durch die großzügigen Hallenfenster, die auch für dieses stimmungsvolle Lichterfest selbstverständlich nicht verdunkelt wurden, konnten die Kleinen auf sonnenbeschienene Felder blicken, während sie Aufstellung zum Umzug nahmen. Dann wurde eine modernisierte Version des Klassikers „Sankt Martin, Sankt Martin“ gesungen, zu der die rund 60 Kinder ihre Laternen schwenkend im Kreis spazierten. Immer rund herum an den Hallenwänden entlang, jedes Kind brav hinter seinem Vordermann.
Wer jetzt ungläubig den Kopf schüttelt, der hat die Rechnung ohne die sicherheitstechnisch phänomenale Erfindung von Elektrostäben für Kinderlaternen gemacht. Diese von einem Plastikstock in die gebastelten Pappmaché-Schweinchen baumelnden Lichtlein schützten selbst die Unaufmerksamsten unter den Kleinen davor, ihre Laternen, sich selbst, die Turnhalle und den ganzen Kindergarten in Brand zu stecken. Praktisch, dass selbst diejenigen nicht traurig sein mussten, deren batteriebetriebenes Elektrolicht nicht leuchten wollte. Denn das fiel in dieser märchenhaften Kulisse an Sankt Martin niemandem auf, wahrscheinlich nicht einmal ihnen selbst.
Wie dankbar bin ich, dass ich nun mit meinem jüngeren Sohn den Zauber des Festes an Sankt Martin wiederentdecken durfte. Mit seiner Waldkindergarten-Gruppe ging es im Dunkeln durch den – wie sollte es anders sein – Wald. Eltern, Omas und Geschwister waren ausdrücklich erwünscht. Und auf Elektroleuchten setzten in der durch die Umgebung und die Aufregung der Kinder (und mancher Erwachsener) aufgeladenen Stimmung nicht einmal die Technikbegeisterten. Übrigens: Sogar die Zweijährigen waren mit so viel Achtsamkeit bei der Sache, dass keine einzige Laterne in Flammen aufging. Zum krönenden Abschluss gab es sogar noch ein offenes (!) Lagerfeuer mit Stockbrot, Punsch und Würstchen.
Danke für so viel Vertrauen in die Kinder, für so viel Natürlichkeit und Wahrhaftigkeit. Danke für dieses Stück zauberhafte Kindheit.