Erster Schultag Mädchen im Klassenzimmer mit Schultüte und Schulranzen

Einschulung in den 80ern oder „Schulranzen-Liebe“

Der erste Schultag, das bedeutet Schultüte, Lieblingskleid, ein Über-Nacht-Älter-Werden und Essen gehen mit den Großeltern. Und natürlich Schulranzen! „Meine große Liebe war nicht schick, nicht cool und nicht komfortabel. Aber in meinen Augen ein Stück Erwachsensein und deswegen einfach wunderbar“, erzählt unsere Kolumnistin Julia Collani. Sie erinnert sich an ihre Einschulung und daran, wie das heute so ist mit der  Schulranzen-Wahl.

Pinke Pferdeprints, Unterwasserwelten oder coole Spiderman-Netze: Die Schulranzenfrage ist heute zu einer kleinen Wissenschaft für sich geworden. Das ist mir spätestens ein halbes Jahr vor der Einschulung meiner Ältesten klar geworden, als wir zu zweit einen Ausflug zu einer Schulranzen-Messe (schon allein dieses Wort, eine Messe nur ums Thema Schulranzen!) unternommen hatten. Hunderte an Modellen stapelten sich in einer großen Halle. Mir schwirrte nach einer Stunde und einer Tour von Stand zu Stand der Kopf.

Die einen Berater predigten die absolute Notwendigkeit von reflektierenden Streifen und per Batteriebetrieb blinkenden Accessoires („Die Sicherheit Ihres Kindes geht vor!“). Andere bestanden auf Tragebequemlichkeit und möglichst geringem Eigengewicht („Der Rücken Ihres Kindes geht vor!“). Wieder andere priesen praktische Klick-Verschlüsse, Brotzeitfächer und perfekt unterteilten Stauraum an („Der Komfort Ihres Kindes geht vor!“)

Letztendlich war meine Tochter die überzeugendste Verkäuferin. Sie hatte sich auf den ersten Blick in einen Traum in Türkis und Pink samt Delfin-Romantik verliebt. Reflektoren, Gewicht und Klick-Verschlüsse waren kein Argument mehr. Sie sind es letztendlich ja auch nicht wirklich. Das Kind muss seinen Ranzen täglich gerne tragen, darum geht es doch, oder?

Darum ging es auch vor 30 Jahren schon. Damals, in den 1980ern war so ein erster Schultag sicher nicht weniger einschneidend in unseren Kinderleben. Aber irgendwie eben doch ein bisschen weniger aufgeregt.

Zum Beispiel Schulranzen: Es gab schlicht und einfach genau zwei Modelle, jeweils in zwei Farben, einmal Rot und einmal Blau. Unsere gesamte Grundschulklasse ließ sich in zwei Lager unterteilen, die Scouts und die Amigos. Danach gab’s nichts mehr, Ende, aus.

Ich gehörte zu den Amigos, und damit nicht gerade zum hippen Teil der Klasse. Zu meinem sechsten Geburtstag hatten meine Eltern mir den Amigo in Dunkelblau mit gelben Streifen geschenkt. Und zwar das Modell, das den Namen „Tornister“ noch redlich verdient und nichts mit den heutigen ergonomisch optimierten Rucksäcken gemein hatte. Dann auch noch Dunkelblau! So richtig schick habe ich mich damit an meinem ersten Schultag nicht gefühlt.

Und trotzdem war ich furchtbar stolz, ihn auf meinem Rücken zu tragen. Schon vor meinem ersten Schultag hatte ich ihn viele Male ehrfürchtig ein- und wieder ausgepackt; den besten Platz für das Federmäppchen gesucht; mir vorgestellt, wie ich in der Pause meine Brotzeit aus der vorderen Reißverschlusstasche nehmen würde… Endlich war auch ich, die jüngste von vier Schwestern, ein Schulkind. Endlich war ich eine von ihnen!

Ich war so stolz, dass ich den Ranzen in der Klasse gar nicht absetzen wollte und ein paar Tränen runterschlucken musste, als meine neue Lehrerin mich zum dritten Mal ermahnt hatte, dass der Platz des Schulranzens in der Klasse seitlich an der Schulbank und weder auf meinem Schoß noch auf hinter meinem Rücken auf dem Stuhl war.

Der Ranzen hat mich vier Jahre lang treu begleitet. Er war mein kleines Reich, über das ich bestimmen durfte und für das ich allein die Verantwortung trug. An dieses Gefühl erinnerte ich mich nun auf der Schulranzen-Messe mit meiner Tochter.

Ihre leuchtenden Augen, in denen all das Schulanfängergefühl samt Stolz, Aufregung und eben das Über-Nacht-Groß-Werden stand, wogen mehr als die ganzen Argumente der Ranzen-Berater. Denn ich bin überzeugt: „Die Freude meines Kindes geht vor!“

Schreibe einen Kommentar