Erstens kommt es anders, und zweitens als man wohnt

Superlage, ein paar Minuten Fußweg zu Kindergarten und Schule! Das dachten wir, als wir unser Haus bezogen haben. Tja, heute sind alle unsere Kinder Fahrkinder, zur Montessori-Schule und in den Waldkindergarten. Aber alle sind glücklich. Lage ist eben nicht alles…
Wir waren so stolz, als wir vor ein paar Jahren unser Haus gekauft haben. So stolz darauf, dass wir uns bei der Wohnlage als offenbar vorbildlich vorausschauende Eltern bewiesen hatten. Schließlich waren wir das erst seit wenigen Wochen – Eltern meine ich.

Nicht nur, dass wir uns dort ein Nest gesucht hatten, wo Kinder noch Kinder sein durften, wo unsere zukünftige Ronja Räubertochter durch Wiesen streunen würde, wenn sie erst einmal der Babyschale entwachsen war.

Nein, wir waren sogar noch gescheiter gewesen. Wir hatten nämlich die ultimativ kinderfreundlichste Lage aller Lagen erwischt: In der einen Richtung nur ein paar Häuser weiter war der Kindergarten, zwei Minuten Fußweg in der anderen Richtung die Grundschule.

Was für ein Glück! Mit dem Exposée des Maklers in der Hand fühlte sich die Zukunft so perfekt an. Ich sah unsere Kleine schon sich morgens um fünf vor Acht gemütlich auf den Schulweg machen, während ihre Mitschüler bereits weite Anreisen mit Bus und Elterntaxi hinter sich hatten.

Aber wir waren das ja erst seit wenigen Wochen, Eltern meine ich. Und wir waren jung. Dieses „jung“ meine ich, das immer auch ein Stück naiv bedeutet. Wir ahnten noch nichts davon, dass es solche und solche Kindergärten gibt;nichts davon, dass nicht jedes Kind automatisch seinen Kindergarten lieben wird, bloß weil er nur ein paar Häuser weiter liegt.

Wir hatten noch nichts gehört von freier Schulwahl, von Waldorf, Montessori und wie sie alle heißen. Wir stellten den Weg überhaupt nicht in Frage, den unsere Kinder einmal gehen würden. Viel zu beschäftigt waren wir mit Windel, Strampler und Bäuerchen.

Mittlerweile sind einige Jahre ins Land gezogen, in denen wir zusammen mit unseren Kindern älter geworden sind. Heute wissen wir, dass räumliche Nähe nicht unbedingt Zufriedenheit herstellt.

Keines unserer Kinder geht morgens zu Fuß aus dem Haus und freut sich über die kinderfreundlichste Lage aller Lagen. Alle haben sie mit Bus und Elterntaxi bis zu 45 Minuten Anfahrt hinter sich, wenn sie in (Montessori)-Schule oder (Wald)-Kindergarten angekommen sind.

Keines unserer Kinder verlässt morgens unser Haus entspannt um fünf Minuten vor Acht. Aber alle kehren nachmittags entspannt wieder zurück – in dieses Haus mit seiner Wahnsinnslage.

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