Nachts bleibt das Handy aus, am Essenstisch hat das Smartphone nichts zu suchen: Die meisten Familien setzen Regeln zur Handy-Nutzung auf. Doch damit Kinder und Jugendliche sie auch beachten, sollten sich zu allererst die Eltern daran halten.
Papa checkt am Handy unter dem Abendbrottisch noch schnell seine Mails: „Endlich, ich warte schon den ganzen Tag auf eine Antwort.“ Mama schaut eben, ob die Wettervorhersage grünes Licht für den geplanten Familien-Ausflug in den Zoo gibt. Dann kräht das Smartphone von Tochter Miriam, eine Whatsapp-Nachricht ist angekommen. Als Miriam aufsteht, um ihr Handy zu holen, ermahnt ihr Vater sie: „Moment mal, junge Dame. Jetzt essen wir zu Abend. Zum Schreiben und Chatten hast du später noch genug Zeit!“ Miriam blickt irritiert auf die Smartphones in den Händen ihrer Eltern…
Das Thema Handy und Mediennutzung ist in den meisten Familien mit Teenagern ein Dauerbrenner, der immer wieder zu Streit führt. Das Hauptproblem ist dabei die unterschiedliche Smartphone-Nutzung der Generationen.
Kinder verwenden Smartphones vollkommen anders als Eltern
Während die heutigen Eltern Handy, Tablet und Co. immer noch in erster Linie als Telefon und wandelndes Lexikon, als allumfassende und allzeit verfügbare Informationsquelle gebrauchen, bedeutet ein Smartphone für Jugendliche vor allem eines: Freundschaft. Über die sozialen Netzwerke wie Facebook oder Gruppentalks wie Whatsapp bleiben sie stets eng in Kontakt mit ihrem Freundeskreis.
Wenn der Junior sein Smartphone aber in den Augen seiner Eltern „nur für sinnloses Hin- und Hergeschreibe“ und Zeit verplempern benutzt, ist das ja wohl nicht in gleicher Weise zu bewerten wie die wichtigen Info-Dienste, die das Smartphone den Eltern leistet. Das meinen die meisten Väter und Mütter jedenfalls.
Aus dieser wertenden Haltung heraus ergibt sich logischerweise die Konsequenz, dass für die Kinder andere Regeln gelten als für die Eltern. Schließlich soll der Nachwuchs nicht seine ganze Zeit damit vertun, unwichtige Kommentare in die Welt hinaus zu blasen. Gleichzeitig schätzt ein Großteil der heutigen Eltern für sich selbst die beruflichen und persönlichen Freiheiten, die ihnen eine jederzeit greifbare Internet- und E-Mail-Versorgung ermöglicht.
Das Handy als soziales Minenfeld
Nur: Dürfen Eltern mit ihrem derartigen Wertesystem über die Smartphone-Nutzung ihrer Kinder urteilen? Wohl kaum. Denn Experten haben längst aufgezeigt, dass Teenager durch ihr Handy einem aus erwachsener Sicht kaum nachvollziehbaren Druck ausgesetzt sind.
Medienberater Uwe Buermann (siehe hier) etwa spricht davon, dass das Handy für Teenager „zum sozialen Minenfeld“ werde. Buermann erzählt von einer Jugendlichen, die nicht innerhalb von zehn Minuten auf Nachrichten der Freunde reagierte und damit eine ganze Klasse derartig verärgerte, bis der Shitstorm losbrach und sie massiv gemobbt wurde.
Völlig wertungsfrei bleibt zumindest festzuhalten, dass das Austauschen über Whatsapp und Facebook für Jugendliche heute oft einen derartig hohen Stellenwert hat, dass sie sich tatsächlich in Not fühlen, wenn sie nicht online sein dürfen. Besonders davon betroffen sind Mädchen. Dies sollten Eltern bedenken, wenn sie sich über ihre Kinder und ihren Medienkonsum erheben.
Regeln zur Handy-Nutzung sollten für die ganze Familie gelten
Selbstverständlich soll dies in keinster Weise den Schluss zulassen, dass Jugendliche daher uneingeschränkten Zugang zu ihren Smartphones samt aller gängigen Online-Dienste erhalten sollten. Ganz im Gegenteil: Je klarer die Regeln, umso leichter fällt es Teenagern, sich von ihrem sozialen Druck über gewisse Zeitspannen frei zu machen. Es ist vor den Mitschülern leichter zu erklären, dass die Eltern feste Regeln festlegen und eine Handynutzung zu bestimmten Zeiten strikt untersagen.
Einzig die Gültigkeit der Regeln für die einzelnen Familienmitglieder sollte aufgrund der unterschiedlichen Prioritäten der Generationen verantwortungsvoll überdacht werden. Vereinfacht heißt dies: Für jeden sollten ein und dieselben Regeln gelten! Auch wenn es sich aus Erwachsenensicht selbstverständlich wichtiger anfühlt, den E-Mail-Posteingang des Arbeits-Accounts zu checken als ein „Wer von euch hatn die Mellie heut gesehen?“ per Whatsapp zu verschicken.
Studie: Kinder sind genervt vom Medienkonsum ihrer Eltern
Eine FACT-Umfrage unter gut 1000 Kindern und Jugendlichen im Alter zwischen sechs und 14 Jahren im Auftrag des Lernportals scoyo in Zusammenarbeit mit dem Kindermagazin Zeit LEO hat ergeben: Mädchen und Jungen beobachten genau, wie oft und wann ihre Mütter und Väter aufs Handy sehen oder schnell mal online gehen.
68 Prozent der befragten Kinder stört es zumindest manchmal, wenn ihre Eltern in ihrer Gegenwart online sind. 89 Prozent der Schüler geben an, dass sie sich anstandslos an Regeln zur Smartphone-Nutzung und Zeitbeschränkung halten würden, wenn diese für ihre Eltern in gleicher Weise gelten würden. Diese Akzeptanz von Regeln schrumpft deutlich, wenn sich die Eltern an keine Vorgaben halten.
Wer seinen Kindern also das Chatten, Posten und Schreiben am Abendbrot-Tisch untersagen möchte, sollte sich zu allererst selbst daran halten. Auch beim Thema Handynutzung und Medienkonsum heißt es wie so oft also: Eltern sollten mit gutem Vorbild vorangehen. Die Jugendlichen akzeptieren Regeln im täglichen Umgang mit Medien deutlich eher, wenn diese auch für die Erwachsenen in der Familie gelten.