Pädagogen beklagen eine steigende Anzahl an unruhigen und unkonzentrierten Kindern im Klassenzimmer. Doch ein Schüler wird nicht ohne Grund zum so genannten Zappelphilipp. Meist steckt ein Mangel hinter seinem Verhalten, ein Mangel an Bewegungsmöglichkeiten und/oder ein Mangel an Rückzugsräumen. Diesem Umstand wollen einige Schulen beikommen, indem sie die Umgebung in der Schule kindgerechter gestalten. Und zwar einerseits mit ausreichenden Angeboten unter freiem Himmel und zur Bewegung anregenden Spiel- und Sportplätzen und andererseits mit einem so genannten Snoezelenraum bzw. Ruheraum.
Während in den meisten modernen Schulen zahlreiche Angebote für den natürlichen Bewegungsdrang der Kinder angeboten werden, fehlt es oft noch an geeigneten Rückzugsmöglichkeiten. An Möglichkeiten für eine persönliche Auszeit, ohne Lärm, Stress oder Animation etwas zu tun. Immer häufiger steht daher mittlerweile auch ein Ruheraum, Snoezelenraum oder auch Entspannungsraum im modernen pädagogischen Konzept von Schulen und Kindergärten.
Nicht wenige Stimmen beschreiben seit Einrichtung eines solchen Rückzugsraums einen spürbaren Erfolg für alle Beteiligten. Pädagogen sehen hier einen wirkungsvollen Weg, der steigenden Anzahl unruhiger, verhaltensauffälliger Schüler zu begegnen. Das Zusammenleben und Lernen im Klassenverband, der störungsfreie Ablauf des Unterrichts und die Einsichtsfähigkeit der Schüler sollen durch Ruheräume und die damit verbundenen pädagogischen Möglichkeiten gefördert werden.
In Ruheräumen werden äußere Einflüsse weitestgehend gefiltert, so dass eine Verarbeitung der täglichen Eindrücke und Reize des Alltags möglich gemacht werden soll. Reizüberflutung oder Reizarmut können, durch regelmäßige Nutzung der Ruheräume, ausgeglichen werden und somit zu erhöhter Aufnahmefähigkeit beitragen.
Was genau ist ein Ruheraum oder Snoezelenraum?
Nach dem Vorbild des Snoezelen-Konzepts, ein Entspannungs-Konzept aus den Niederlanden, soll ein Ruheraum für Entspannung im Tagesablauf sorgen. Ein Ruheraum nach diesem Konzept findet sich nicht nur in Kindergärten und Schulen. Zunehmend werden Snoezelenräume auch bei der pädagogischen Arbeit mit alten und behinderten Menschen eingesetzt.
Im Ruheraum soll man sich in erster Linie entspannen, sich wohlfühlen und Geborgenheit erfahren. Entschleunigung und eine wohltuende Auszeit vom Alltagsstress stehen im Mittelpunkt. Je nach Adressatengruppe wird die Atmosphäre im Ruheraum den Bedürfnissen seiner Nutzer angepasst. Schüler beispielsweise werden sich sicherlich eine andere Einrichtung wünschen als Senioren. Der Ruheraum kann mit unterschiedlichen Hilfsmitteln ausgestattet sein, Fachleute arbeiten hierzu mit Farben, Klängen und Aromen, mit bequemen Liegeflächen, Sitzkissen für und individuellen Rückzugsmöglichkeiten.
Genutzt werden kann der Ruheraum oder Snoezelenraum von Einzelnen, die sich dem Stress der Gruppe und Gemeinschaft für einen Moment entziehen wollen. Außerdem bieten sich in der geborgenen Atmosphäre Möglichkeiten der pädagogischen Arbeit. Hier erhalten etwa Pädagogen die Gelegenheit zum Vorlesen, zum Zuhören oder zum Ansprechen von Themen, die einzelne Kinder konkret beschäftigen.
Argumente für einen Ruheraum in der Schule
Zu große Klassen, zu lange Schultage, die Anforderungen einer gelungenen Inklusion an allen Schulformen, die verkürzte Schulzeit bis zum Abitur und der, oft schon bei Kindern im Grundschulalter, voll gefüllte Terminplan, erfordern nach Einschätzung vieler Experten adäquate Gegenmaßnahmen zur Entschleunigung des Alltags. Die flächendeckende Einrichtung von Ruheräumen schon ab der Grundschule wird vielfach als geeignete Maßnahme empfohlen.
Viele Lehrer beklagen stetig wachsende Unruhe in den Klassen, eine hohe Zahl verhaltensauffälliger Kinder und ein immer öfter zum Scheitern verurteiltes Bemühen, effektiven Unterricht zu gestalten. Hyperaktivität, Konzentrationsmangel, Gewaltbereitschaft und Aggressionen bis hin zur Schulverweigerung, sind die am häufigsten genannten Probleme in diesem Bereich. Die Ursachen hierfür liegen primär im familiären und gesellschaftlichen Umfeld, die Verhaltensregulierung findet zumeist im schulischen Bereich statt. Die Nutzung eines Ruheraums ist für den Schüler keine Strafe, sondern eine Möglichkeit, bewusste Entspannung zu erleben und mehr innere Balance zu finden. Im Idealfall profitieren von den damit verbundenen Erfolgen Schüler und Lehrer gleichermaßen.
Für die Einrichtung eines Snoezelenraums in Schulen gelten keine starren Regeln, die Bedürfnisse und Wünsche der Schüler haben Priorität. Hier gilt das Prinzip, dass zum Zweck der Entspannung nichts gemacht werden muss aber alles gemacht werden darf.
Snoezelen kann nicht alle Probleme lösen
Durch die Argumente gegen Ruheräume an Schulen zieht sich als roter Faden der Hinweis darauf, dass Schulen generell nicht alle Probleme gesellschaftlichen und familiären Ursprungs lösen könnten. Kritiker sehen den Handlungsbedarf in diesem Zusammenhang darin, an den Ursachen und nicht den Auswirkungen auf schulische Problembereiche zu arbeiten.
Auch der finanzielle Aspekt, der eine Ausstattung mit Snoezelenräumen an Schulen mit sich bringt, ist nicht zu unterschätzen. Hier geht es weniger um die einmalige Ausstattung der Räume, als vielmehr um ein dauerhaft nötiges Zusatzpersonal. Ruheräume ohne qualifiziertes Betreuungspersonal sind nicht zielführend. Die Lehrkräfte können diese Zusatzaufgaben in ihrem Schulalltag meist nicht ausreichend darstellen.
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