Kind mit neu geborenem Geschwisterchen Baby

Wie bereite ich mein Kind auf ein Geschwisterchen vor?

„Es gibt Dinge, in denen sollte man eigentlich von Mal zu Mal routinierter oder sagen wir weiser werden. Doch manche Sachen fühlen sich jedes Mal wieder nach kompletter Überforderung an.“ Das sagt unsere Kolumnistin und vierfache Mutter Julia Collani darüber, wie ihre Familie durcheinandergerüttelt wurde, wenn ein neues Baby-Geschwisterchen kam. „Am schwierigsten wurde es da, wo wir Erwachsenen es nicht vermutet hätten…“

Eigentlich bestens vorbereitet und doch komplett überfordert: So ging es mir immer wieder, wenn ein neues Kind unsere Familie bereicherte. Mein Fazit: Jedes Kind reagiert in jedem Altersabschnitt anders auf ein neues Geschwisterchen. Und am schwierigsten wird es oft da, wo wir Erwachsenen es überhaupt nicht vermuten würden. Da bereitest du dich nach bestem Wissen und Gewissen vor und versuchst, die Kind liebevoll und pädagogisch sinnvoll auf das Baby vorzubereiten. Und dann kommen sie doch immer mit Themen daher, mit denen du niemals gerechnet hättest.

Absolut offen und ehrlich – schon ab Beginn der Schwangerschaft

Das erste Mal Gedanken dazu gemacht, wie man Kinder auf ein neues Geschwisterchen vorbereitet, habe ich mir, als ich mit meinem zweiten Baby schwanger war, also drauf und draf war, meine Tochter zu entthronen. Ich wollte alles richtig machen. Ich las Tipps im Internet, fragte mich durch meine Freundinnen und suchte Hilfe bei unserer Erzieherin im Kindergarten.

Jede Menge mit den „Großen“ sprechen

A 3-year-old embraces her brother less than a day after he was bornUnd schnell waren sich alle meine Quellen einig, dass ich den ersten Fehler gleich am Anfang gemacht hatte. Ich hatte nämlich unserer Tochter eröffnet, dass sie große Schwester werden würde, sobald ich Gewissheit hatte, schwanger zu sein. Also nix mit „warten, bis die Schwangerschaft sichtbar wird, damit die Information für das Kind greifbarer wird“ und wie die ganzen guten Ratschläge heißen.

Sie wusste Bescheid, als ich in der fünften Woche war. Dabei hatte ich mich ganz bewusst dafür entschieden, sie so früh einzuweihen. Denn erstens verändert so ein Baby im Bauch uns doch völlig: Ständig kreisen die Gedanken um das Baby und die Zukunft; oft sind wir launischer als sonst; immer sind wir müde; manchmal wird uns plötzlich übel; und und und. Kurzum: Ich war anders als sonst. Und ich bin mir ganz sicher, dass unsere Kinder spüren, wenn etwas anders ist, bei uns etwas in der Luft liegt. Da können wir versuchen, ihnen etwas vorzuspielen, wie wir wollen, keine Chance. Also wollte ich möglichst authentisch bleiben dürfen, keine Geheimnisse vor meiner Kleinen haben müssen.

Eine unaufrichtige Mama bringt die kindliche Welt zum Wackeln

Also absolute Offenheit. Und dies auch wohl wissend, dass die Gefahr einer Fehlgeburt in den ersten Wochen noch sehr groß ist. Denn auch dann, wenn wir das Baby verloren hätten, hätte ich mich in meiner Trauer nicht verstecken wollen vor meiner Tochter.

Nichts ist in meinen Augen für ein Kind schlimmer, als eine Mama, die sagt, es wäre alles in Ordnung, wo doch alle Signale auf „Nichts ist in Ordnung“ hindeuten. Kinder verstehen ihre kleine Welt und ihre wichtigste Bezugsperson nicht mehr. Sie haben gelernt, unsere Mimik, unsere Gesten, unsere Ausstrahlung zu lesen, noch bevor sie die ersten Worte verstehen konnten. Dieser Verunsicherung wollte ich meine Kinder nie aussetzen. Auch wenn durch diese schonungslose Ehrlichkeit gleichzeitig folgt, dass sie mit komplexen, für sie schwierigen Situationen umgehen lernen müssen. Aber meine Erfahrung zeigt: Kinder haben gerade bei großen, schweren Themen wie Krankheit oder Tod eine wunderbar natürliche Weise, damit umzugehen. Schwierig und kompliziert wird es doch hauptsächlich erst in unseren Erwachsenenköpfen.

Jede Frage eines Kindes verdient eine ehrliche Antwort

Nun aber zurück zur Schwangerschaft: Meine Kinder wussten also immer von Anfang an Bescheid. Tja, und dann ergab sich der Rest meistens ganz von allein. Das heißt, die Kinder haben nachgefragt. Sicher ihrem Alter angemessen und mit unterschiedlichem Fokus. Auch hier habe ich mit größtmöglicher Ruhe und völlig unaufgeregt geantwortet. Ich habe hingehört und hinter den Fragen ihre Bedenken und Ängste versucht zu erkennen. Ich habe ohne Schnickschnack alle Fragen beantwortet – übrigens hat sich dadurch die allererste Aufklärung unserer Kinder immer ganz nebenbei ergeben, altersgerecht, aber abermals vollkommen ehrlich.

Es bringt nichts, Kindern weiszumachen, dass sich durchs Geschwisterchen nichts ändert

Es bringt nichts, Kindern in der Schwangerschaft weismachen zu wollen, dass sich durch die Geburt eines Geschwisterchens für sie nichts ändert. Natürlich wird die Mama weniger Zeit haben und natürlich wird es Eifersucht auf den Zwerg geben. Natürlich werden alle etwas zurückstecken müssen, auch die Kinder, angefangen von Mama-oder-Papa-Exklusivzeit bis hin zu Freizeitspaß. Aber eines wird sich nicht verändern, und zwar die Liebe zu den „Großen“.

Bücher und Geschichten als bewährte Helfer

Neben den vielen offenen Gesprächen haben wir uns über die Zeit ein kleines Sammelsurium an Büchern angelegt, die das mit dem Schwester-oder-Bruder-werden erklären. Und jedes Mal war es gleich: Je näher es an die Geburt ging, desto häufiger haben meine Kinder die Bilderbücher gemeinsam lesen wollen. Mittlerweile gibt es ganz tolle Bücher, die das Thema spielerisch behandeln. Durch die Lektüre wird das zu erwartende Geschwisterchen zunächst nicht als persönliche Bedrohung empfunden sondern ein Stück weit abstrakt in einer Geschichte über andere miterlebt. Für die Kleinen sehr schön sind diese Bücher, je nach Titel ab einem Alter von etwa eineinhalb Jahren bis etwa zehn Jahre:

Und für Mamas und Papas sind diese Bücher zu empfehlen. Sie bieten Tipps, wie Kinder auf die Geburt eines Geschwisterchens vorbereitet werden können:

Monate nach der Geburt des Geschwisterchens das dicke Ende

Jedes Mal hat es uns in dem Moment, in dem wir dachten, jetzt hat sich alles sehr schön gefügt, kalt erwischt. Dann kam erst das dicke Ende, nachdem anfangs alles recht unkompliziert angelaufen zu sein schien. Will heißen: Erst Monate nach der Geburt des Geschwisterchens zeigte einer der Großen seine ganze Not mit der neuen Situation. Mal war es das Bettnässen, mal Albträume, mal unerbittliche Machtkämpfe mit uns Eltern. Mal hatte ausgerechnet die ganz Große, von der wir dachten, sie käme bestimmt am besten mit allem klar, die größten Probleme. Und mal war es gar nicht der Neid auf Mamas Liebe, sondern die Eifersucht auf die Liebe der großen Schwester, die sich nur noch mit dem kleinen süßen Bruder beschäftigen wollte. Letzten Endes dauerte es bei uns immer einige Monate, bis es erst so richtig kompliziert wurde, bis alle verstanden hatten, dass das neue Geschwisterchen wirklich bleibt, für immer; dass es nie wieder so gemütlich wird wie zuvor, wo sich doch alle so schön in unserer Familie zurechtgefunden hatten.

Ein Geschwisterchen ist in jedem Alter eine Herausforderung

Es gibt natürlich Unterschiede, je nachdem wie alt ein Kind ist, wenn es große Schwester oder großer Bruder wird. Aber es wird nicht einfacher für ältere Kinder, sondern nur anders. Auch für die scheinbar schon ganz Großen ist ein neues Geschwisterchen eine ganz schöne Herausforderung. Denn so ein Familienmitglied – und sei es das sechste – wirft erstmal alle anderen komplett aus der Bahn. Bis sich das Gefüge wieder zusammengefügt hat, dauert es laaaaange. Ich würde sagen, ungefähr ein Jahr.

Für die Großen Qualitätszeit allein mit Mama oder Papa

Umso wichtiger ist es, innerhalb dieses wilden ersten Jahres immer wieder genau hinzuschauen und alle Kinder im Blick zu behalten; nah dran zu bleiben. Und immer wieder besonders betonte Exklusivdinge für die Großen zu finden. Damit meine ich zum einen Sachen, die halt nur die Großen in der Familie machen dürfen wie länger aufbleiben, in den Zirkus gehen oder Gurken schnibbeln.

Zum anderen aber meine ich Qualitätszeit mit Mama (oder Papa) allein. Das ist nach vier Kindern das wichtigste Geheimrezept, das ich gerne weitergeben möchte. Es ist immer wieder erstaunlich, wie viel ein Ausflug ganz allein mit Mama bringt, wie viel sich dadurch wieder von selbst löst. Und wenn es nur 2 Stunden sind, die eines der Kinder mich ganz entspannt und unabgelenkt und nur für sich allein hat – das ist und bleibt die beste Medizin für eine verunsicherte Kinderseele.

Dies ist ein Beitrag zu einer Blogparade von Kathrin und ihrem Blog Kinderbilden.

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