Mehr als fünf Milliarden Euro will Deutschand bis ins Jahr 2025 in die Digitalisierung seiner Schulen stecken. Bisher rangiert die mediale Ausstattung deutscher Schulen gerade einmal im europäischen Mittelfeld. Das soll sich durch den so genannten „Digitalpakt Schule“ von Bund und Ländern ändern. Was sehen die Pläne vor? Welche Chancen bietet digitales Lernen und warum brauchen wir das überhaupt?
Digitales Lernen – warum überhaupt?
Mit den Schülern der Austausschule übers Tablet chatten oder sich in der virtuellen Welt auf Erkundungstour durch das Antike Rom machen: Neue Medien im Unterricht bedeuten weit mehr als eine bloße Modernisierung der Lehrmittel. Sie können das Lehren grundlegend revolutionieren. Sie ermöglichen eine Individualisierung des Lernens; eine Wissensvermittlung, die viele Sinne anspricht; unkomplizierte Interaktion und vieles, vieles mehr. Die Digitalisierung der Schule ist nicht weniger als ein Kulturwandel des Lehrens.
Dass Schulen sich über kurz oder lang den neuen Medien öffnen müssen, scheint unbestreitbar. Die Leben der nachwachsenden Generationen sind derart eng mit der Nutzung von Medien verbunden, dass ein Lehrer seine Schüler nur dadurch in ihrer Lebenswirklichkeit abholen kann. Es stellt also keine Möglichkeit mehr dar, neue Medien aus dem Schulhaus zu verbannen. Dr. Heike Schaumburg, Erziehungswissenschaftlerin an der Berliner Humboldt-Universität, kommt in einer Studie zu dem Ergebnis: „Medienkompetenz stellt auf individueller Ebene die entscheidende Voraussetzung dafür dar, dass Schüler die Potenziale digitaler Medien für ihre persönliche Lebensgestaltung, besonders aber auch zur gesellschaftlichen Partizipation und Mitbestimmung nutzen können.“
Deutsche Achtklässler haben in der internationalen Studie ICIL, die die Computer-Kompetenzen von Schülern in über 20 Staaten vergleicht, einen Platz im Mittelfeld belegt. Deutlich weiter vorne reihen sich etliche asiatische Staaten wie Japan oder Südkorea sowie die USA ein. Dort ist E-Learning deutlich weiter fortgeschritten.
E-Learning – das sind die Chancen
- Die Schüler können durch digitales Lernen selbstständiger und eigenverantwortlicher arbeiten
- Lernstoff kann anschaulich und dadurch leichter verständlich vermittelt werden
- Die Schüler können durch digitales Lernen zeitlich und räumlich unabhängig – und in ihrem eigenen Tempo – auf Lernstoff zugreifen, zum Beispiel auf Lernvideos im so genannten Flipped Classroom. Bei diesem Unterrichtskonzept erarbeiten die Schüler den Lernstoff zu Hause selbst. In der Schule wird er dann nur noch wiederholt und vertieft. In den USA ist dieses Konzept bereits recht verbreitet. Informationen zum Pilotprojekt in Deutschland stehen hier.
- Medienkompetenz wird praxisnah vermittelt, indem die Schüler lernen, online zu recherchieren, die verfügbaren Informationen zu filtern und zu bewerten. Im geschützten Rahmen der Schule analysieren und reflektieren sie Medienangebote, die ihnen ohnehin im Leben zur Verfügung stehen.
- Am Computer erlernen die Schüler Methoden und Anwendungen, die sie im Berufsleben später ganz selbstverständlich beherrschen wie beispielsweise Tabellenkalkulation, Textverarbeitung oder Präsentationsprogramme.
Deutsche Schulen gerade mal im europäischen Mittelfeld – große Unterschiede
Während in anderen Ländern wie Norwegen, Australien, Dänemark oder Kanada moderne Medien bereits zum Alltag an den allermeisten Schulen gehören, sind die Unterschiede hierzulande noch sehr groß. Nur 6,5 Prozent der deutschen Achtklässler besuchen Schulen, in denen Tablets für den Unterricht zur Verfügung stehen – in der EU-Vergleichsgruppe sind es mit 15,9 Prozent der Schüler deutlich mehr.
Zwar gibt es in Deutschland auf der einen Seite sehr wohl Schulen, an denen unterrichten die Lehrer ausschließlich mit interaktiven Tafelsystemen mit Berührungssensorik und verzichten vollends auf herkömmliche Kreide-Tafeln. Die Schüler arbeiten an I-Pads, Laptops oder sogar mit Virtual-Realtiy-Brillen. Aber auf der anderen Seite gibt es noch immer zahlreiche Schulen, an denen die modernsten Geräte im Unterricht der Overhead-Projektor und der DVD-Player sind. Digitales Lernen ist dort noch ein Fremdwort.
Digitalpakt Schule
Hier soll nun der „Digitalpakt Schule“ greifen. Bund und Länder planen, dass in den kommenden Jahren bis 2025 mehr als fünf Milliarden Euro für die Anschaffung von digitalen Geräten an Schulen fließen sollen. Rein rechnerisch sind das laut Bundesministerium für Bildung und Forschung für jede der etwa 40.000 Schulen in Deutschland ein durchschnittlicher Betrag von 137.000 Euro. Oder, anders ausgedrückt, soll für jeden der etwa elf Millionen Schüler in Deutschland eine Summe von 500 Euro investiert werden.
Geräte für digitales Lernen
Die Palette an Geräten, die sinnvoll im Unterricht eingesetzt werden können, ist bunt. Sie beginnt bei so genannten Smartboards, interaktiven Tafeln, die mit dem Internet verbunden sind und die herkömmliche Kreidetafel vollständig ersetzen können. Mit PCs, Laptops, Tablets und Smartphones können Schüler Lernstoff ansehen, anhören und lesen, schreiben, zeichnen, Excel-Tabellen anlegen und auswerten, Ton- und Videoaufnahmen schneiden, Bilder bearbeiten, Lernspiele spielen, im Internet recherchieren, Aufgaben bearbeiten, Präsentationen erstellen, Vokabeln lernen und kommunizieren. Vorbei sind die Zeiten, in denen sich fünf Schüler um einen Computer drücken mussten. Heutige Unterrichtskonzepte mit Medien setzen meist voraus, dass an jedem Gerät nur ein Schüler arbeitet.
Das obere Ende des technisch Nutzbaren im Schulunterricht beschreiben Ausrüstungen für Virtual-Reality (VR) oder Augmented Reality (AR), die es ermöglichen, eigene virtuelle Welten zu erschaffen und zu „begehen“, und programmierbare Roboter, durch welche die Schüler spielerisch in die Welt der Logik und Informatik eintauchen.
Doch die beste Ausstattung ist nur dann sinnvoll, wenn sie auch vom Lehrpersonal vernünftig verwendet werden kann. Was nutzt ein interaktives Smartboard mit allerlei Finessen, wenn der Lehrer es allenfalls wie einen Overheadprojektor nutzt? „Die vielfältigen Potenziale digitaler Medien können aber nur dann realisiert werden, wenn an der Schule Rahmenbedingungen vorliegen, die die Realisierung dieser Potenziale erlauben. Allen voran wären hier die Kompetenzen und die Bereitschaft der Lehrkräfte zu nennen“, schreibt Erziehungswissenschaftlerin Dr. Heike Schaumburg in ihrem Resümee. Insofern wird sicher ein Teil der Milliarden vom Digitalpakt Schule in die Weiterbildung und Fortbildung von Lehrern fließen müssen.